Spur S: Eine große Liebe im Maßstab 1:64

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Spur S American Flyer Anlage. Modellbahn Hintergrund: Rocky Mountains

Wie Ingolf nach Jahrzehnten zur Modellbahn zurückfand – und sich in eine fast vergessene Spur verliebte

Wenn man Ingolf nach seiner Modellbahn-Leidenschaft fragt, erzählt er keine Erfolgsgeschichte im klassischen Sinne. Er erzählt von Kindheitserinnerungen, Umwegen, wiederentdeckten Schätzen – und von einer fast vergessenen Spurweite, die heute sein Herzstück ist: Spur S im Maßstab 1:64.

Erste Runden im Wohnzimmer

Alles begann Anfang der 1960er Jahre mit einer kleinen H0-Anlage, die sein Vater auf engstem Raum baute. Damals reichten die Platzverhältnisse gerade einmal für anderthalb Gleiskreise – der innere Radius musste „nachgeschärft“ werden, wie Ingolf sich schmunzelnd erinnert. Und doch: Zwei Pikoloks schnauften durch eine liebevoll gestaltete Gebirgslandschaft, gebastelt aus alten Kartoffelsäcken, die mit Heißleim – und entsprechendem Geruch – festgeklebt wurden.

Sein jüngerer Bruder bekam später eine Startpackung in Spur S, vom Hersteller Stadtilm. Auf einer festen Unterlage montiert, wurde sie zur Spielwiese im Wohnzimmer – und zur ersten Berührung mit der Spur, die ihn Jahrzehnte später wieder einholen sollte.

Vom Vater zum Sohn – und wieder zurück

In den 1980er Jahren baute Ingolf für seinen eigenen Sohn erneut eine H0-Anlage. Mehr Züge, mehr Technik – aber das Interesse verflog schnell. Die Anlage verschwand, die Leidenschaft schlummerte weiter.

Bis vor rund 20 Jahren: Beim Bau von Kranich-Modellbögen tauchte plötzlich die alte Stadtilm-Bahn vom Dachboden der Eltern wieder auf. Noch heute läuft sie – leise, handlich, zuverlässig. Das Feuer war neu entfacht.

Internet, Stadtilm – und die Entdeckung des American Flyer

Was folgte, war eine Sammelleidenschaft, wie sie viele Modellbahner kennen. Über das Internet baute Ingolf sich eine beeindruckende Sammlung von Stadtilm-Erzeugnissen auf – Lokomotiven, Waggons, Zubehör.

Doch damit nicht genug: Während eines USA-Aufenthalts hielt er zum ersten Mal eine Lok der „American Flyer“-Serie von A. C. Gilbert in den Händen. Solide gebaut, schwer, ölig, robust – und perfekt zum Spielen. Die amerikanische Spur S faszinierte ihn auf Anhieb. Und so begann eine neue Reise: American Flyer wurde zur großen Liebe, ergänzt um Exponate aus aller Welt – vielfach ursprünglich für Kinder von US-Soldaten gedacht.

Technische Herausforderungen – und der Reiz des Unperfekten

Ingolfs Plan war ambitioniert: Eine gemeinsame Anlage mit Stadtilm- und American-Flyer-Zügen. Immerhin ist die Spurweite identisch. Doch schnell zeigte sich: Maßstab ist nicht gleich Maßstab. Während Stadtilm problemlos auf dem amerikanischen Gleismaterial der 1950er Jahre fährt, ist der umgekehrte Weg schwierig – Weichen, Kreuzungen und Höhenunterschiede machen eine gemeinsame Strecke unmöglich.

Die Unterschiede sind frappierend: Gilbert nahm es mit dem Maßstab nicht allzu genau, und so variieren nicht nur einzelne Modelle, sondern auch das Zubehör gewaltig. Nach zwei Wintern intensiver Planung fiel die Entscheidung: Stadtilm wird eingelagert – American Flyer fährt allein. Koexistenz statt Integration.

Eine Spielbahn mit Seele

Heute baut Ingolf vor allem in den Wintermonaten weiter an seiner Anlage. Nicht als realistisches Diorama, sondern bewusst als „Spielbahn“. Es geht nicht um exakte Nachbildung, sondern um funktionierende Technik, lebendige Details – und um Material, das schon seit über 70 Jahren im Einsatz ist. Viele Teile hat er aufgearbeitet oder mühsam restauriert. Wenn dann etwas wieder rollt wie vor Jahrzehnten, ist das für ihn der eigentliche Lohn.

Für den kommenden Winter stehen neue Gebäude (Kartonmodellbau), Beleuchtung und – wie immer – ein paar nie endende Kleinigkeiten auf dem Plan. Und irgendwann, sagt er, schreibt er seine Geschichte weiter.

Wir sind gespannt.